Fischer: Zur Kostenhomogenität in verschiedenen DRG-Systemen.

Z I M - Auszug Version 1.24       März 2000
Letzte Ergänzung: 05.12.2000


Zur Kostenhomogenität
in verschiedenen DRG-Systemen

Wolfram Fischer

Zentrum für Informatik und wirtschaftliche Medizin
CH-9116 Wolfertswil SG (Schweiz)
http://www.fischer-zim.ch/


Kapitel A.4 + F.3.7 aus:
Diagnosis Related Groups (DRGs) und verwandte Patientenklassifikationssysteme
Kurzbeschreibungen und Beurteilung

      
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Homogenität

Patienten­klassifi­kations­systeme nach dem Vorbild der DRG-Systeme wurden eigentlich mit dem Ziel gebildet, bezüglich der Ressourcenintensität homogene Behand­lungs­fall­gruppen zu definieren. (Das bedeutet, dass die Streuung der Kosten der in einer Behand­lungs­fall­gruppe zu­sammen­gefassten Behand­lungs­fälle klein sein sollte.)

1

Nutzen von homogenen Behand­lungs­fall­gruppen

Wenn die Behand­lungs­fall­gruppen homogen sind, können sie gut als Bezugseinheiten für Fall­pauschalen und als Produktionseinheiten sowohl in der Kosten­träger­rechnung wie auch in Betriebs­vergleichen verwendet werden. Sind die Behand­lungs­fall­gruppen aber nicht homogen, verschwindet die Aussagekraft von Betriebs­vergleichen und die Eignung der Kosten­träger­rechnung zur Betriebsführung. Eine auf inhomogenen Behand­lungs­fall­gruppen basierende Vergütung setzt Anreize, innerhalb der Gruppen nach kostengünstigen Subgruppen zu suchen und diese verstärkt zu bewirtschaften.

2

Bisherige Ansätze zur Verbesserung

Die meisten bisherigen Anstrengungen zur Verbesserung der DRG-Systeme bezogen sich auf die Erhöhung der bislang mangelnden Homogenität der gebildeten Behand­lungs­fall­gruppen. Die wichtigsten Ansätze dazu waren die folgenden:

  • Zunehmende Ver­feine­rung der DRGs durch Differen­zierung der Begleit­erkran­kungen oder Komplikationen in mehr als zwei Stufen.
  • Versuche zur Differen­zierung durch Einführung von Alters­splits an unter­schied­lichen Positionen.
  • Verwendung von zusätzlichen Gruppie­rungs­krite­rien wie Geburts­gewicht, Ein-Tages-Fall, Notfall­aufnahme.
  • Getrennte Kategorisierung gewisser Sonderaufwendungen, insbesondere der Aufenthaltszeit in der Intensiv­pflege­station.

3

1 Die besseren Werte des GHM-Systems überraschen an dieser Stelle. Eine Anfrage beim PMSI über die Gründe, die zu diesem Sachverhalt führten, wurde nicht beantwortet.

Fälle in Behand­lungs­fall­gruppen mit einem Varia­tions­koeffi­zien­ten von über 50 %

In den folgenden Tafeln werden die Anteile der Fallzahlen in Behand­lungs­fall­gruppen mit grosser Streuung gezeigt. Die Zahlen sind nur bedingt vergleichbar, da die Auswahl aus der Grundgesamtheit der Fälle nicht korrespondiert (ge­trimmt – unge­trimmt; inkl. – exkl. Tages­fälle) und da die Bezugs­grösse verschieden ist (Auf­ent­halts­dauern – Fak­tura­beträ­ge – Kosten). Eines aber ist klar ersichtlich: Die gefundenen Werte sind durchs Band viel zu hoch. Es sollte ein möglichst kleiner Anteil der Fälle in Behand­lungs­fall­gruppen mit Varia­tions­koeffi­zien­ten (CV) von über 50 % liegen. Die vorliegenden Zahlen weisen aber darauf hin, dass dieser Anteil sehr gross ist. Das heisst, die Streuung innerhalb der meisten Behand­lungs­fall­gruppen ist sehr hoch; die Homogenität ist mangelhaft.

Bei den HCFA-DRGs liegen 99 % aller Fälle in Behand­lungs­fall­gruppen mit einem Varia­tions­koeffi­zien­ten von über 50 %. Ein wenig bessere Werte zeigen sich im GHM-System, in welchem 76 % aller Fälle in Behand­lungs­fall­gruppen mit einem Varia­tions­koeffi­zien­ten von über 50 % liegen.1 [Tafeln 1 und 2]

4

Fälle in Behand­lungs­fall­gruppen mit einem Varia­tions­koeffi­zien­ten von über 100 %

Erst wenn man nach Fällen mit Varia­tions­koeffi­zien­ten von unter und über 100 % unterscheidet, erhält man ein Bild, das ein wenig aussagekräftiger ist. Allerdings weist ein Varia­tions­koeffi­zient von 100 % und mehr bereits auf eine sehr grosse Streuung hin. [Tafeln 3 und 4]

Im HCFA-DRG-System liegt der Anteil an Fällen in Behand­lungs­fall­gruppen mit einem Varia­tions­koeffi­zien­ten von über 100 % noch bei 25 %, wenn man die Streuung der Fak­tura­beträ­ge misst (und bei 18 %, wenn man die Streuung der Verweildauern misst). Einzig im GHM-System (und z. T. auch im RDRG-System) erhält man bei dieser Betrach­tungs­weise einigermassen niedrige Werte. (Vgl. aber Randnote [1].)

Auffallend, aber logisch ist, dass Fälle in spezifischen Behand­lungs­fall­gruppen deutlich weniger streuen, als Fälle in Sammel­gruppen. Nur beim englischen System konnte dieser Sachverhalt nicht beobachtet werden.

5

Varia­tions­koeffi­zien­ten bei mehrstufiger CC-Aufteilung

Anhand der Aus­wer­tungen zum RDRG-System kann gezeigt werden, welchen Effekt eine verfeinerte Differen­zierung nach Schwere­graden auf die Varia­tions­koeffi­zien­ten hat. Währenddem bei der Gruppierung nach Basis-RDRGs 97 % aller Fälle in Basis­fall­gruppen mit einem Varia­tions­koeffi­zien­ten bezüglich der Fak­tura­beträ­ge von über 50 % liegen, sind es bei der Gruppierung nach RDRGs noch 82 %. (Bei der Analyse nach Verweildauern sind die Werte etwas höher, nämlich: 99 % bei der Gruppierung nach Basis-RDRGs und 88 % bei der Gruppierung nach RDRGs.)

Die kleinste Streuung weisen die Behand­lungs­fall­gruppen der CC-Klasse «D» auf, welche Fälle mit unwesentlichen Begleit­erkran­kungen oder Komplikationen zusammenfassen: Trotzdem liegen immer noch 64 % (bzw. 74 %) der Fälle in Behand­lungs­fall­gruppen der CC-Klasse «D» mit einem Varia­tions­koeffi­zien­ten bezüglich der Fak­tura­beträ­ge (bzw. der Aufenhaltsdauern) von über 50 %. Je schwer­wiegender die Begleit­erkran­kungen oder Komplikationen also sind, desto stärker wird die Streuung innerhalb der Gruppen.

Ein analoges Bild ergibt sich auch bei der Betrachtung der Behand­lungs­fall­gruppen mit Varia­tions­koeffi­zien­ten von unter und über 100 %: 17 % der nach Basis-RDRGs gruppierten Fälle und 8 % nach RDRGs gruppierten Fälle liegen in Behand­lungs­fall­gruppen mit einem Varia­tions­koeffi­zien­ten bezüglich der Fak­tura­beträ­ge von über 100 %. (Bei der Analyse nach Aufenhaltsdauern sind es 22 % bzw. 8 %.) Auch hier nehmen die Streuungen mit abnehmender Schwere der Begleit­erkran­kungen ab: Es liegen sowohl bezüglich der Fak­tura­beträ­ge wie auch bezüglich der Verweildauern 20 % der Fälle mit CC-Klasse «A» und 7 % der Fälle mit CC-Klasse «D» in Behand­lungs­fall­gruppen mit einem Varia­tions­koeffi­zien­ten von über 100 %.

6

Tafel 1:
Fälle in Behand­lungs­fall­gruppen mit CV > 50 %

7

  HCFA-DRG 16.0 unge­trimmt HCFA-DRG 16.0 HCFA-DRG 16.0 unge­trimmt HCFA-DRG 16.0 GHM 5 AR-DRG 4.1 HRG 3 unge­trimmt HRG 3
Jahr 1998/99 unge­trimmt 1998/99 ge­trimmt 1998/99 unge­trimmt 1998/99 ge­trimmt 1998 ge­trimmt 1996/97 unge­trimmt, inkl. Tages­fälle 1996/97 unge­trimmt 1996/97 ge­trimmt
Bezugs­grösse Auf­ent­halts­dauern Auf­ent­halts­dauern Fak­tura­beträ­ge Fak­tura­beträ­ge Kosten Auf­ent­halts­dauern Auf­ent­halts­dauern Auf­ent­halts­dauern
Anteil an allen Fällen 99.4 % 99.4 % 98.8 % 98.8 % 76 % 86 % 99.5 % 93 %
Anteil an Fällen mit CC 100 % 100 % 100 % 100 % 95 % . 100 % 97 %
Anteil an Fällen ohne CC 92 % 93 % 88 % 88 % 78 % . 99 % 95 %
Anteil an Fällen in Behand­lungs­fall­gruppen ohne CC-Unter­teilung 100 % 100 % 100 % 93 % 69 % 76 % 99 % 91 %
Anteil an Fällen in spezifischen Behand­lungs­fall­gruppen 99 % 99 % 95 % 99 % 73 % 88 % 99 % 93 %
Anteil an Fällen in Sammel­gruppen 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 77 % 100 % 100 %
 

Tafel 2:
RDRGs: Fälle in Behand­lungs­fall­gruppen mit CV > 50 %

8

  RDRG 13/17 Basis-RDRGs 13/17 RDRG 13/17 Basis-RDRGs 13/17
Jahr 1997/98 unge­trimmt 1997/98 unge­trimmt 1997/98 unge­trimmt 1997/98 unge­trimmt
Bezugs­grösse Auf­ent­halts­dauern Auf­ent­halts­dauern Fak­tura­beträ­ge Fak­tura­beträ­ge
Anteil an allen Fällen 88.3 % 99.5 % 82.5 % 97.0 %
Anteil an Fällen in CC-Klasse A 95 %   95 %  
Anteil an Fällen in CC-Klasse B 98 %   92 %  
Anteil an Fällen in CC-Klasse C 96 %   92 %  
Anteil an Fällen in CC-Klasse D 74 %   64 %  
Anteil an Fällen in spezifischen Behand­lungs­fall­gruppen 88 % 99 % 82 % 97 %
Anteil an Fällen in Sammel­gruppen 100 % 100 % 98 % 98 %
 

Tafel 3:
Fälle in Behand­lungs­fall­gruppen mit CV > 100 %

9

  HCFA-DRG 16.0 unge­trimmt HCFA-DRG 16.0 HCFA-DRG 16.0 unge­trimmt HCFA-DRG 16.0 GHM 5 AR-DRG 4.1 HRG 3 unge­trimmt HRG 3
Jahr 1998/99 unge­trimmt 1998/99 ge­trimmt 1998/99 unge­trimmt 1998/99 ge­trimmt 1998 ge­trimmt 1996/97 unge­trimmt, inkl. Tages­fälle 1996/97 unge­trimmt 1996/97 ge­trimmt
Bezugs­grösse Auf­ent­halts­dauern Auf­ent­halts­dauern Fak­tura­beträ­ge Fak­tura­beträ­ge Kosten Auf­ent­halts­dauern Auf­ent­halts­dauern Auf­ent­halts­dauern
Anteil an allen Fällen 18 % 18 % 25 % 25 % 8 % 49 % 87 % 21 %
Anteil an Fällen mit CC 20 % 15 % 31 % 25 % 7 % . 93 % 16 %
Anteil an Fällen ohne CC 11 % 10 % 2 % 2 % 3 % . 89 % 13 %
Anteil an Fällen in Behand­lungs­fall­gruppen ohne CC-Unter­teilung 18 % 18 % 24 % 22 % 10 % 39 % 84 % 25 %
Anteil an Fällen in spezifischen Behand­lungs­fall­gruppen 15 % 13 % 22 % 18 % 6 % 45 % 87 % 21 %
Anteil an Fällen in Sammel­gruppen 62 % 62 % 69 % 69 % 27 % 69 % 89 % 25 %
 

Tafel 4:
RDRGs: Fälle in Behand­lungs­fall­gruppen mit CV > 100 %

10

  RDRG 13/17 Basis-RDRGs 13/17 RDRG 13/17 Basis-RDRGs 13/17
Jahr 1997/98 unge­trimmt 1997/98 unge­trimmt 1997/98 unge­trimmt 1997/98 unge­trimmt
Bezugs­grösse Auf­ent­halts­dauern Auf­ent­halts­dauern Fak­tura­beträ­ge Fak­tura­beträ­ge
Anteil an allen Fällen 7.9 % 22.1 % 8.5 % 17.3 %
Anteil an Fällen in CC-Klasse A 20 %   20 %  
Anteil an Fällen in CC-Klasse B 8 %   15 %  
Anteil an Fällen in CC-Klasse C 10 %   8 %  
Anteil an Fällen in CC-Klasse D 4 %   4 %  
Anteil an Fällen in spezifischen Behand­lungs­fall­gruppen 7 % 19 % 7 % 14 %
Anteil an Fällen in Sammel­gruppen 15 % 68 % 27 % 63 %
 

Ursachen von Kosten­abweichungen

Es gibt nun das Argument, es könne gar keine 100 %ige Homogenität erreicht werden, da es immer Unterschiede in der Effizienz gäbe, und dass es gerade Aufgabe der Patienten­klassifi­kations­systeme sei, Anreize zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit zu setzen. Dieses Argument hat seine Richtigkeit. Allerdings darf darob nicht vergessen werden, dass es neben der Unwirt­schaft­lich­keit noch eine Reihe von anderen Faktoren gibt, welche die messbare Homogenität ver­schlech­tern. Die mehr oder weniger grossen Kosten­abweichungen, die bei der PCS-basierten Analyse von Behand­lungs­fällen innerhalb der einzelnen Behand­lungs­fall­gruppen festzustellen sind, sind nur die sicht­bare Spitze eines Eisberges dieser zunächst un­be­kannten Ursachen. Eine Ursache solcher Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Kosten kann – wie gesagt – die Ineffizienz (Unwirt­schaft­lich­keit) in den Betrieben sein. Eine wichtige weitere Ursache kann aber auch ein ungenügend differenzierendes Patienten­klassifi­kations­system sein. Vorgelagerte Ursachen können schlechte Codierungsqualität oder nicht adäquate Kalku­lations­methoden von Soll- und/oder Ist-Kosten sein. [Tafel 5]

11

Tafel 5:
Mögliche Ursachen von Kostenabweichungen

Tafel 5: Mögliche Ursachen von Kostenabweichungen

12

 

Quelle: Fischer [DRG-Systeme, 2000]: 14.

13

Grundlegende DRG-Konstruktionsprobleme

Die schlechte Homogenität von DRG- und DRG-ähnlichen Systemen hängt mit einigen grundsätzlichen Konstruktions- und Anwen­dungs­problemen dieser Systeme zusammen. Dazu gehören insbesondere:

14

 

  1. die unpräzise Falldefinition (bedingt auch durch eine mangelnde zeitliche Strukturierung der Behand­lungs­einheiten);
  2. die Missachtung weiterer kosten­relevanter Patienten­merkmale, welche über die ärztlichen Diagnosen hinausgehen (z. B. Fähigkeits­einschrän­kungen, ausgewählte soziale Kriterien und Behand­lungs­ziele);
  3. die – insbesondere bei gewissen medizi­nischen Fällen vorhandene – Möglichkeit zur Manipulation der Gruppenzuteilung infolge einer nicht sehr präzisen Definition des Konzeptes der Haupt­diagnose;
  4. die in den meisten DRG-Systemen fehlende Berück­sichtigung von Mehrfach­behand­lungen.

15

 

 

 

 

Literaturverzeichnis

 
Fischer
DRG-Systeme
2000
Fischer W. Diagnosis Related Groups (DRGs) und verwandte Patienten­klassifi­kations­systeme. Kurzbeschreibungen und Beurteilung. Wolfertswil (ZIM) 2000: 181 S. Internet: http:// www.fischer-zim.ch / studien / DRG-Systeme-0003-Info.htm.

16

Z I M  -  Zentrum für Informatik und wirtschaftliche Medizin
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Fundstelle = http://www.fischer-zim.ch/text-pcssa/t-ga1--Eval-Homogenitaet-Oekonomisch-0003.htm
( Letztmals generiert: 28.06.2013 )