Fischer: Leistungsbedarf und erbrachte Leistungen.

Z I M   «Pflegediagnosen» (2. Auflage) Kapitel 3.2 1999


3.2
Leistungsbedarf und erbrachte Leistungen

Wolfram Fischer

Zentrum für Informatik und wirtschaftliche Medizin
CH-9116 Wolfertswil SG (Schweiz)
http://www.fischer-zim.ch/


Seiten 26-29 aus:

Pflegediagnosen in Gesundheitsökonomie und Gesundheitsstatistik
978-3-905764-00-8

      
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Pflegeleistungs-
erfassung
Währenddem Begriffssysteme zur Formulierung von Pflegediagnosen noch nicht im allgemeinen Einsatz und zum Teil erst in Entwicklung sind, ist die Pflege bereits heute recht gut in der Lage, die Pflegeleistungen zu quantifizieren. Die dazu gebrauchten Methoden sind beispielsweise an Akutspitälern LEP und PRN, in Pflegeheimen PLAISIR, BESA und RAI/RUG. Die früher erwähnte Überprüfung der Pflegekostenhomogenität in ärztlich-ökonomischen Patientenklassifikationssystemen kann anhand von Informationen aus solchen Systemen vorgenommen werden.
Notwendigkeit der Pflegeleistungen? Was mich aus gesundheitsökonomischer Perspektive interessiert, ist, ob die ausgewiesenen erbrachten Leistungen nötig waren, ob sie also einem Bedarf nach Leistungen entsprachen.
Randi Mortensen sagt: "Pflegediagnosen begründen, weshalb eine bestimmte Pflege eingeleitet wird. Ohne eine solche Begründung lässt sich schwerlich feststellen, ob die durchgeführten Pflegehandlungen im Hinblick auf die Gesundheit der Bevölkerung wirksam oder unwirksam, notwendig oder nicht notwendig, nützlich oder direkt schädlich sind."1 Diese Grundüberlegung stimmt mit der Formulierung aus dem Nursing Data überein: Pflegeleistungen sollen gemessen werden, um zu sagen, "was die Pflege tut"; Pflegediagnosen sollen verwendet werden, um zu sagen, "warum sie dies tut".

1 Mortensen (Pflegediagnosen, 1998): 13.
 
 
Leistungsbedarf und erbrachte Leistungen Als Gesundheitsökonom interessiert mich nun im Besonderen das Verhältnis zwischen dem infolge eines problematischen Gesundheitszustandes ausgelösten Leistungsbedarf und den tatsächlich erbrachten Leistungen. Dieses Verhältnis sagt etwas aus über die Wirtschaftlichkeit - und für Sie bestimmt auch über die Qualität.

Wirtschaftlichkeitsgrad = notwendige Leistung / erbrachte Leistung

Aus der Formel sehen Sie: Wenn mehr Leistungen erbracht werden, als notwendig sind, dann sinkt der Wirtschaftlichkeitsgrad unter 1 (bzw. 100%). Umgekehrt steigt er über 1, wenn weniger Leistungen, als notwendig sind, erbracht werden. Ideal ist es, wenn nicht mehr und nicht weniger als die notwendigen Leistungen erbracht werden.
Ermittlung des Leistungsbedarfes Wie kann nun der Leistungsbedarf bestimmt werden? In Systemen wie PRN oder PLAISIR wird der Leistungsbedarf gleichgesetzt mit den geplanten (und deshalb als notwendig erachteten) Leistungen. Dies hat aber einen Haken: Die Begründung, weshalb die Leistungen geplant werden, fehlt. Wenn die geplanten Leistungen z.B. zur Tarifgrundlage eines Vergütungssystems werden, entsteht "nur" der Anreiz, nicht mehr Leistungen zu erbringen als geplant worden sind. Es entsteht aber kein besonderer Anreiz, die Menge der geplanten Leistungen nur auf das Notwendige zu beschränken. Deshalb muss zur Ermittlung des Leistungsbedarfes ein anderer Ansatz gefunden werden.
Der Leistungsbedarf sollte von Kriterien abgeleitet werden, die vom Leistungserbringer nicht oder nicht wesentlich beeinflusst werden können. Gesundheitszustand bzw. gesundheitliche Probleme bei Behandlungsaufnahme, wären solche Kriterien, die dem Leistungserbringer vorgegeben sind, die er also als solche nicht beeinflussen kann.

Der erste Versuch besteht deshalb gewöhnlich darin, den Leistungsbedarf direkt aus der Beurteilung des Patientenzustandes abzuleiten. Im Falle der TAR-Pflegekostenklassifikation gelang uns das für die Pflege mit einem Erklärungsgrad von etwa 65%. Nicht immer wird das Resultat so gut sein und auch im Fall der neurologischen Rehabilitation müssen wir uns fragen: Welche Erklärungsvariablen fehlen noch, um die Pflegeleistungen noch besser zu erklären?

Blick auf den Pflegeprozess Wenn wir uns den Pflegeprozess anschauen, dann braucht es zur Auslösung von Pflegeleistungen die Beurteilung des Gesundheitszustandes und die Festlegung von Pflegezielen.
Abb. 18:
Der Pflegeprozess
Pflegeprozess Tätigkeiten Informationen
Einschätzung Gespräche,
Untersuchungen
aktueller Zustand
Pflegediagnose Analyse der Daten,
Beurteilung der Probleme
aktueller Zustand
Zielsetzung Prioritäten setzen,
Ziele festlegen
angestrebter Zustand
Planung Massnahmen wählen und planen geplante Leistungen
Umsetzung Durchführung der geplanten Massnahmen erbrachte Leistungen
Auswertung Neue Einschätzung neuer
aktueller Zustand

Quelle: NachBrobst et al. (Pflegeprozess, 1997): 20
und Fiechter/Meier (Pflegeplanung, 1993): 30

Behandlungsziele Angaben über den Gesundheitszustand allein (und über den Leistungserbringertyp) können allenfalls dann zur Schätzung des Leistungsbedarfs genügen, wenn die Behandlungsziele zum Vorneherein klar sind. Sobald jedoch aus der Beschreibung des Gesundheitszustandes allein die typische Behandlung noch keineswegs ableitbar ist, sobald man sich also - zusammen mit dem Patienten und den übrigen Mitgliedern des Behandlungsteams - auch noch über die Behandlungsziele einigen muss, müssen ebendiese Ziele auch erhoben werden, um den Leistungsbedarf bestimmen zu können. Es muss z.B. entschieden werden, ob einem Patienten, der Probleme beim Ankleiden hat, einfach in die Kleider geholfen werden soll, oder ob es Aufgabe der Pflege ist, während der Zeit des Aufenthaltes mit dem Patienten soweit zu trainieren, dass er sich wieder ohne Hilfsperson anzeihen kann, obwohl er in den Armen motorisch beeinträchtigt ist.

Das bedeutet, dass Pflegediagnosen allein nicht genügen zur Ermittlung des Leistungsbedarfes. Zu einer Pflegediagnose können Pflegeziele gesetzt werden. Diese sind abhängig insbesondere von den ursächlichen Faktoren, von den Erwartungen und der Motivation des Patienten und von den Zuständigkeitsregelungen, die im jeweiligen Krankenhaus gelten. Pflegeziele können wiederum mit unterschiedlichen Massnahmen erreicht werden.

Abb. 19:
Zusammenhang zwischen Pflegediagnosen und Pflegeleistungen
Abb.: Zusammenhang zwischen Pflegediagnosen und Pflegeleistungen
 
 
Aus gesundheitsökonomischer Sicht interessieren mich im Endergebnis nicht die einzelnen Massnahmen, sondern nur deren summierte Kosten. Ich möchte zu folgender Aussage kommen: "Pflegediagnose A führt bei Ziel B typischerweise zu Kosten von ca. X Franken."
Abb. 20:
Leistungsbedarfsermittlung
Abb.: Leistungsbedarfsermittlung

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Fundstelle = http://www.fischer-zim.ch/text-pdg/Pflege-Diagnosen-32-Leistung-9901.htm
( Letztmals generiert: 06.01.2012 )