Fischer: Warum viele «Diagnosis Related Groups» (DRGs) keine diagnosebezogenen Gruppen sind.
Unterschiedliche finanzielle Anreize bei der Vergütung von Krankenhausleistungen inklusiv oder exklusiv der ärztlichen Leistungen.

Z I M - Streiflicht 2007(15)3       Dezember 2007


Warum viele «Diagnosis Related Groups» (DRGs)
keine diagnosebezogenen Gruppen sind

Wolfram Fischer

Zentrum für Informatik und wirtschaftliche Medizin
CH-9116 Wolfertswil SG (Schweiz)
http://www.fischer-zim.ch/


Unterschiedliche finanzielle Anreize bei der Vergütung von Krankenhausleistungen
inklusiv oder exklusiv der ärztlichen Leistungen

      
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Medizi­nische DRGs
sind diagnose­bezogen


Natürlich, die Überschrift stimmt nur bedingt: Bei konservativen Behand­lungen sind DRGs sehr wohl diagnose­bezogen. Wenn keine Prozedur codiert ist, bestimmt die Haupt­diagnose die Zuteilung einer DRG.

Eingriffe werden aufgrund der Prozedur klassifiziert

Bei operativen Fällen hingegen wird die DRG gewöhnlich anhand der aufwändigsten Prozedur bestimmt. Während in vielen DRG-Systemen in solchen Fällen immerhin noch die Haupt­kate­gorie («Major Diagnostic Category» [MDC]) aufgrund der Haupt­diagnose ermittelt wird, gibt es auch DRG-Systeme, welche bereits für diesen ersten Kategorisierungsschritt die aufwändigste Prozedur verwenden. (Dazu gehören z. B. das HRG-System aus Grossbritannien, das LDF-System aus Österreich, das IRDRG-System aus den USA und das CMG+-System aus Kanada.)

 

 

Weshalb Prozeduren?

Aber weshalb werden entgegen dem aus der Bezeich­nung «DRG» ableitbaren Programm überhaupt Prozeduren zur Klassi­fi­kation verwendet? Die Grundidee von DRG-Systemen wäre es ja, aufgrund des Patientenzustandes die Soll-Kosten der zu erwartenden Behand­lung zu vergüten und es den Leistungserbringern zu überlassen, die aus ihrer Sicht effektivste und effizienteste Behand­lung zu wählen.

1 Die DRG-Ent­wick­lung wurde durch einen Forschungsauftrag für ein Instrument zur Qualitätssicherung ausgelöst. – Vgl. Fetter et al. [DRGs, 1991]: 4 ff; Fischer [PCS, 1997]: 186 f.

2 Zitiert gemäss: Fischer [PCS, 1997]: 279.

Fetter: «Diagnosen genügen nicht»

Robert Fetter, der Erfinder der DRGs,1 meinte dazu in einem persönlichen Gespräch an der PCS/E-Konferenz von 1993 in München, dass Diagnosen allein «in manchen Fällen zu ungenau sind, um das vorliegende Problem und den daraus folgenden Handlungsbedarf zu beschreiben».2

Mullin: «US-Ärzte entscheiden DRG-un­abhän­gig»

Robert Mullin, der – als Arzt – das IRDRG-System im Auftrag der 3M entwickelt hat, wies mich in einem Gespräch anlässlich der PCSI-Konferenz von 2007 in Venedig darauf hin, dass es gar nicht nötig sei, diagnose­bezogene Gruppen zu haben, denn es gehe ja nur darum, die Kosten der Kranken­häuser zu senken, nicht jene der Ärzte. Die Ärzte würden – als Beleg­ärzte – ohnehin un­abhän­gig von der DRG-Vergütung entscheiden, welche Behand­lung durchzuführen sei, denn ihnen werde in den USA ein DRG-un­abhän­giges Honorar vergütet.

 

 

3 Vgl. dazu auch die Darstellung der beiden Ansätze in: Fischer [PCS, 1997]: 30–42.

Anreiz zur Mengenausweitung
statt zu optimiertem Ressourceneinsatz

Im europäischen Kontext ist in der DRG-basierten Vergütung von grundversicherten Patienten das ärztliche Honorar gewöhnlich mitenthalten. Die Wirksamkeit eines Ver­gütungs­systems, das auf «proze­duren­bezo­genen DRGs» beruht, muss unter diesen Rahmenbedingungen angezweifelt werden, denn es bewirkt einen Anreiz zur Mengenausweitung auf Fall­ebene. Anders ist es, wenn mit einer DRG-Pauschalen – wie ursprünglich in den ameri­ka­nischen Belegarztkrankenhäusern – nur die Kranken­haus­lei­stun­gen vergütet werden: Dann entsteht ein Anreiz zur Kosteneindämmung der eingesetzten Ressourcen.3

 

 


 

Literaturverzeichnis

Fetter et al.
DRGs
1991
Fetter RB, Brand A, Dianne G [Hrsg.]. DRGs, Their Design and Development. Ann Arbor (Health Administration Press) 1991: 341 S.
Fischer
PCS
1997
Fischer W. Patienten­klassifi­kations­systeme zur Bildung von Behand­lungs­fall­gruppen im stationären Bereich. Prinzipien und Beispiele. Bern und Wolfertswil (ZIM) 1997: 514 S. Auszüge: http:// www.fischer-zim.ch / studien / PCS-Buch-9701-Info.htm.


Literaturhinweis:
Ergänzende Informationen zu diesem Thema finden Sie in:
-  Fischer: Patientenklassifikationssysteme, S. 30-42. (ISBN 978-3-9521232-2-5)
-  Fischer: DRGs und Pflege, S. 79-85. (ISBN 978-3-456-83576-1)

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